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Ein fotografischer und musikalischer Streifzug durch das Herz eines Symbols
Es gibt Bauwerke, die sich mit jedem Schritt verändern – die Oper von Sydney gehört zu diesen lebendigen Architekturen. Im weichen Licht des Morgens, wenn Nebel den Hafen umhüllt und die „Segel“ der Oper wie Gespenster einer anderen Zeit wirken, beginnt sie zu flüstern. Später, unter der gleißenden Sonne, zeigen sich ihre geometrischen Formen klar und bestimmt. Die kleinen Fähren tanzen vor ihrer Kulisse, als wollten sie das maritime Ballett begleiten – bis ein Kreuzfahrtschiff wie ein träger Koloss vorbeizieht und die Szene für einen Moment dominiert.
Doch erst in der Nacht, wenn die Lichter der Stadt sich auf dem seidig-glatten Wasser spiegeln – eingefangen in einer Langzeitbelichtung – entfaltet die Oper ihre volle Magie. Dann wird sie zur Bühne der Träume, zu einer Muschel, die den Klang der Welt umschließt.
🎼 Eine Aufführung der Emotionen – Prokofiev und Brahms in der Sydney Opera
Dass es mir gelang, kurzfristig noch Karten zu ergattern, gleicht einem Glücksfall. Und was für eine Aufführung es wurde!
Den Auftakt bildeten Auszüge aus Romeo and Juliet von Sergei Prokofiev – Suiten aus Opp. 64a und 64b, etwa fünfzehn Minuten kondensierte Emotion, orchestriert in jener Mischung aus Tragik und tänzerischer Leichtigkeit, wie sie nur Prokofiev beherrschte.
Danach folgte ein Monument der Romantik: das Klavierkonzert Nr. 1 in d-Moll von Johannes Brahms. Sir Stephen Hough am Klavier war eine Klasse für sich – Präzision, Ausdruckskraft, Demut vor dem Werk. Und dann war da Elim Chan: eine Dirigentin, die nicht nur dirigiert, sondern lebt, wedelt, atmet, explodiert – mit einer Präsenz, die den Saal ergriff. Sollte sie Mahler dirigieren, bin ich in der ersten Reihe.
(Fotografieren während der Aufführung war nicht erlaubt – aber Anfang und Ende durfte ich festhalten, und so gibt es zumindest Bilder von einem Abend, der noch lange nachhallt.)
🌀 Architektur als Musik – Die Geschichte der Oper
Entworfen wurde die Oper von dem dänischen Architekten Jørn Utzon, der 1957 mit seiner visionären Idee einen Wettbewerb gewann – ohne zu wissen, dass sein Entwurf zur Ikone werden würde. Die weißen Segel – oder Muschelschalen – inspiriert von Orangenstücken, Bootsrümpfen oder Wolken – bilden nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch ein Symbol für Offenheit und Weite.
Utzon selbst konnte die Eröffnung 1973 nicht miterleben, nachdem politische Querelen ihn 1966 zum Rückzug zwangen. Doch sein Name bleibt für immer mit diesem Ort verbunden – einer Schnittstelle von Kunst, Technik und menschlichem Ausdruckswillen.
📷 Fotografische Notizen – Licht, Wasser, Perspektive
Meine Kamera durfte an diesem Ort tanzen:
– durch den Frühnebel und das flirrende Mittagslicht,
– zwischen Fähren, Wellen und Wolken,
– in der Nacht, wenn das Licht wie ein Echo der Musik wirkt.
Besonders die Langzeitbelichtung der nächtlichen Oper gehört zu meinen Lieblingsaufnahmen – das Wasser wirkt wie aus Glas, die Oper wie eine Erscheinung. Vielleicht ein Sinnbild für das, was dieser Ort wirklich ist: ein Ort zwischen Welten – real und doch entrückt.
🌒 Badu Gili – Licht, das erzählt
Mit Einbruch der Dunkelheit beginnt ein weiteres Schauspiel, das die Oper in Bewegung versetzt: „Badu Gili: Healing Spirit“, eine rund sechsminütige Projektion auf den östlichen Segeln der Oper, erzählt in vibrierenden Farben und fließenden Formen von der tiefen Verbindung zwischen Land, Wasser und Kultur.
„Badu Gili“ – das bedeutet Wasserlicht in der Sprache der Gadigal, der traditionellen Hüter von Bennelong Point. Die aktuelle Projektion vereint Werke der verstorbenen Bidjigal-Ältesten Esme Timbery, ihrer Kinder Marilyn Russell und Steven Russell sowie des Yanomami-Künstlers Joseca Mokahesi aus dem brasilianischen Amazonasgebiet. Animiert durch Studio Vandal und begleitet von einer eigens komponierten Klanglandschaft von James Henry, verschmelzen traditionelle Muschelkunst, Drucke, Webarbeiten und spirituelle Zeichnungen zu einem vielschichtigen Lichtgedicht über Heilung, Erinnerung und Zugehörigkeit.
📽️ Das Video zur Projektion habe ich am Abend aufgenommen und meinem Beitrag beigefügt – ein flüchtiger, aber eindrucksvoller Blick auf eine Form visueller Poesie, die nur an diesem Ort, zu dieser Zeit, in dieser Konstellation möglich ist.