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Die Blaue Stunde hat für die Fotografie eine besondere Bedeutung.
Aufnahmen zu dieser Tageszeit, wenn sich die Dämmerung nach dem Sonnenuntergang zur Dunkelheit wandelt, können eine Mischung aus beunruhigender Melancholie und ungewisser Sorge vor dem bedrohlich aufziehenden Schwarz der Nacht hervorrufen, Stimmungen, die bei näherer Betrachtung häufig nichts mit dem abgelichteten Motiv zu tun haben.
Vielleicht rufen sie auch Erinnerungen an Erlebnisse zu dieser Tageszeit hervor, wenn unser mächtiger Sinn, unsere visuelle Wahrnehmung, mit nachlassendem Licht beginnt, seine Schutzkraft zu verlieren und unsichtbare Gefahren in den Schatten vermutet werden...
Etwas Theorie: Wie kommt überhaupt die Blaufärbung des Himmels zustande?
Das Himmelsblau des Tages wird wesentlich durch die Rayleigh-Streuung verursacht (John William Strutt, 3. Baron Rayleigh). Sie beschreibt die elastische Streuung von elektromagnetischen Wellen (wie Licht) an Teilchen, die klein im Vergleich zur Wellenlänge der auftreffenden Strahlung sind. An Sauerstoff- und Stickstoffmolekülen werden die Blauanteile des Sonnenlichtes nun stärker gestreut als andere Wellenlängen, so dass die Blauanteile in der Sichtachse Erde => Weltraum dominieren. Dass die Erde aus dem Weltraum auch blau in der Sichtachse Weltraum => Erde erscheint, verdankt sie den Ozeanen, die die gestreuten Blauanteile aus der Atmosphäre widerspiegeln.
Einen weiteren Effekt, der auf das Licht wirkt, das auf die Erdatmosphäre trifft, beschreibt die Chappius-Absorption. Ozon, ein Gas dessen Moleküle aus drei Sauerstoffatomen bestehen, hat die Eigenschaft, Licht im gelben, organgenen und roten Wellenlängebereich zu absorbieren, so dass das Gas in konzentrierter Form blau erscheint. Somit verliert Licht durch die Ozonschicht in der Stratosphäre Anteile an wärmeren Farbtönen. Im Vergleich zur Rayleigh-Streung ist der Effekt der Chappius-Absorpsotion gering.
Mit aufkommender Dämmerung verlängert sich der Weg des Lichtes durch die Erdatmosphäre und die Bedeutung der Rayleigh-Streuung für die Färbung des Himmels im Zenit nimmt kontinuierlich ab, die Effekte der Chappuis-Absorption dagegen nehmen entsprechend zu, bis sie nach dem Sonnenuntergang bzw. vor dem Sonnenaufgang nun zum maßgeblichen Effekt wird und zur immer stärker werdenden Absorption der wärmeren Anteile des Lichtes führt.
So ergeben sich während der Blauen Stunde Farbtemperaturen bis zu 12.000 Kelvin wobei der dann tiefblaue Himmel etwa dieselbe Helligkeit wie das künstliche Licht von Gebäude- und Straßenbeleuchtungen besitzt. Das macht diesen Zeitraum ideal für diverse Aufnahmeszenarien. Zudem sind die Farben Blau und Orange-gelb komplementär zueinander und eignen sich perfekt für harmonische Bildkompositionen.
Fotografieren während der Blauen Stunde
Die Dauer der Blauen Stunde beträgt in Mitteleuropa zwischen 30 Minuten (Equinox) und 50 Minuten (Sonnenwende). Der Breitengrad spielt für die Länge der Blauen Stunde eine wesentliche Rolle. Dauert die Dämmerung etwa 20 Minuten in den Tropen so kann sie bis zu fünf Stunden in den sogenannten Weißen Nächten (in Regionen zwischen 57 Grad nördlicher Breite und dem Nordpol und dem Pendant mit 57 Grad südlicher Breite und dem Südpol) erreichen.
Daher ist es zunächst wichtig, Beginn und Dauer der Blauen Stunde am Ort der geplanten Aufnahme zu bestimmen. Dies ist in der heutigen Zeit recht leicht, da es z.B. für Smartphones Apps gibt, die einem mühsame Berechnungen ersparen. Ich nutze auf dem IPhone z.B. hierfür die App "Sun Surveyor". Wer seine Szenerie gerne vom Desktop aus berechnet, der Dämmerungsrechner "Blaue Stunde von JekoPhoto läßt sich im Browser bedienen.
Allerdings sollte man schon vor Anbruch der Blauen Stunde den Aufnahmeort in Augenschein nehmen, um eine geeignete Bildgeometrie nebst Standort für die Kamera zu ermitteln - bei bekannten Spots (z.B. das Schlösschen in der Hamburger Speicherstadt) kann es zu Beginn der blauen Stunde schonmal recht gedrängt zugehen.
Beispielaufnahmen zur Blauen Stunde