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Quantensoziologie verschränkter Monaden
Können Mathematik, Quantenphysik, Soziologie und Philosophie so zusammengeführt werden, dass eine kohärente Erweiterung unseres Weltwissens entsteht?
Die Quantenphysik basiert auf der fundamentalen Annahme, dass die Menge möglicher Zustände eines quantenmechanischen Systems die Struktur eines Hilbertraums besitzt. Dies impliziert eine lineare Struktur, in der Zustände durch Linearkombinationen überlagert werden können und sich so ein dynamischer Zustandsraum eröffnet – mathematisch präzise erfassbar durch die Arbeiten von David Hilbert.
Die Soziologie hingegen untersucht soziale Systeme und ihre internen Zustandsräume aus einer gänzlich anderen Perspektive. Konzepte moderner Gesellschaften, wie sie von Talcott Parsons und Niklas Luhmann entwickelt wurden, bieten dabei eine theoretische Grundlage, um komplexe Wechselwirkungen sozialer Akteure sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene zu analysieren. So wie sich in der Quantenmechanik Wahrscheinlichkeitswellen überlagern, lassen sich in der Soziologie Systemzustände beschreiben, die von historischen Ereignissen, kollektiven Gedächtnissen und individuellen Erfahrungen geprägt sind.
Die Philosophie schließlich eröffnet einen weiteren Zustandsraum – einen, der oft die Grenze direkter Erkenntnis überschreitet. Besonders in der Metaphysik wird die gegenseitige Durchdringung verschiedener Wirklichkeitsdimensionen untersucht. Gottfried Wilhelm Leibniz beschreibt in seiner Monadologie eine universale Struktur von nicht weiter teilbaren, individuellen Entitäten – den Monaden. Diese Monaden existieren in unterschiedlichen Zuständen: „Wir erfahren ja in uns selbst einen Zustand, in dem wir uns an nichts erinnern und keine deutliche Perzeption haben, so z.B. im Falle einer Ohnmacht oder eines tiefen, traumlosen Schlafes. In diesem Zustand unterscheidet sich die Seele nicht merklich von einer bloßen Monade. Da aber dieser Zustand nicht andauert und die Seele sich ihm wieder entzieht, so ist sie doch etwas mehr.“ (Leibniz)
Dieser erste Überblick zeigt bereits die Komplexität eines Versuchs, einen übergeordneten Zustandsraum zu definieren, der Quantenmechanik, Soziologie und Philosophie gleichermaßen integriert. Um den Rahmen dieses Beitrags nicht zu sprengen, soll an dieser Stelle vor allem die Übertragbarkeit der quantenmechanischen Verschränkungsprinzipien auf seelische und gesellschaftliche Prozesse im Fokus stehen.
Die Verschränkung emotionaler Zustände
Ein aktuelles Beispiel für die dynamische Überlagerung von Zuständen findet sich in den Erfahrungsberichten des französischen Philosophen Julien De Sanctis, der kürzlich ein Essay über seinen Weg durch eine Depression veröffentlicht hat. Er beschreibt das psychische Erleben als eine Art metaphysische Entkopplung von der Welt:
„Einige Tage nach unserer Rückkehr aus Japan wurde mir klar, dass die Welt aufgehört hatte, mich zu nähren. Nicht, dass sie plötzlich geizig geworden wäre, aber ich war nicht mehr in der Lage, in ihr Fleisch zu beißen und ihren Saft zu ernten. Meine Gier nach Vitalität war einfach verschwunden, als die Geschmäcker und ihre Appetitanreger erloschen. Eine Depression ist eine Verwelkung. Sie krümmt uns brutal zusammen, trocknet unseren Geschmackssinn aus, erstickt unser Verlangen, saugt unsere Kräfte aus und wirft uns in eine Arena ohne Gladiatoren. Kein Feind am Horizont, kein Gegner. Es gibt nur dich und deine Einsamkeit, dich und dieses Leiden von absurder Gewalt. Eine Depression ist nicht mehr wirklich von dieser Welt, denn wenn sie sich einmal festgesetzt hat, überwindet sie die konkreten Umstände, die sie nach und nach hervorgebracht haben, und stürzt einen in ein Jenseits, in dem es keinen anderen Horizont als die Verzweiflung gibt, kurz gesagt: eine Nichtwelt.“
De Sanctis beschreibt hier ein Muster, das sich auf quantenmechanische Prinzipien übertragen lässt: Zwei unterschiedliche Zustände – das frühere Glück und die gegenwärtige Verzweiflung – koexistieren zunächst in einer Art Überlagerung. Erst durch eine bewusste Fokussierung auf den negativen Zustand kollabiert diese Superposition, und das psychische System „entscheidet“ sich für die depressive Realität. Diese Dynamik erinnert an das Paradoxon von Schrödingers Katze: Solange kein externer Beobachter den Zustand feststellt, bleibt das System in einer Wahrscheinlichkeitsüberlagerung.
Diese Mechanik kann jedoch nicht nur auf individuelle Bewusstseinsprozesse angewandt werden, sondern auch auf größere gesellschaftliche Systeme. Wenn sich kollektive Traumata, gesellschaftliche Narrative und historische Erfahrungen überlagern, stellt sich die Frage: Wieviel Leid kann eine Gesellschaft akkumulieren, bevor es ihren Fortbestand gefährdet?
Die Übertragbarkeit auf gesellschaftliche Prozesse
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine liefert ein Beispiel für einen Zustand gesellschaftlicher Verschränkung: Die Menschen in der Ukraine befinden sich sowohl im Modus des Krieges als auch in dem einer fortdauernden zivilen Existenz. In diesem Spannungsfeld entstehen parallele Realitäten – einerseits die brutale Unmittelbarkeit des Überlebenskampfes, andererseits das Bedürfnis nach Normalität.
Die Frage, wie eine Gesellschaft nach massiven kollektiven Traumata Heilung finden kann, könnte in einer quantensoziologischen Betrachtung mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsverteilungen untersucht werden: Wann und unter welchen Bedingungen „kollabiert“ ein sozialer Zustand in eine konstruktive oder destruktive Zukunft? Welche Parameter beeinflussen, ob eine Gesellschaft Resilienz entwickelt oder sich weiter destabilisiert?
Ausblick und Fazit
Diese ersten Einblicke in die „Quantensoziologie verschränkter Monaden“ skizzieren die theoretischen Grundlagen eines neuen Forschungsansatzes, der Mathematik, Quantenphysik, Soziologie und Philosophie integriert. Während die mathematische Fundierung durch den Hilbertraum und die Arbeiten von John von Neumann erfolgt, bildet die Monadologie von Leibniz eine Brücke zur metaphysischen Dimension. In soziologischer Hinsicht bieten die Theorien von Parsons und Luhmann geeignete Modelle, um Systemverhalten und soziale Dynamiken zu erfassen.
Die zukünftige Veröffentlichung wird ein umfassendes mathematisches Modell entwickeln, das quantenmechanische Superpositionen mit psychischen und gesellschaftlichen Prozessen verbindet. Die zentrale Frage bleibt: Können wir gesellschaftliche und individuelle Entwicklungsprozesse als Wahrscheinlichkeitswellen verstehen, die durch bewusste Akzentsetzungen in eine gewünschte Richtung gelenkt werden können?
Vielleicht liegt der Schlüssel in einer Perspektive, die über das rein Empirische hinausgeht – wie es bereits Ernesto „Che“ Guevara ausdrückte:
„Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche.“ E. R. Guevara de la Serna.